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Algen als CO2-Speicher?

Es ist doch wirklich interessant, was sich die schlauen Köpfe an den Universitäten zuweilen so ausdenken:

Wissenschaftler vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) in Bremerhaven unternahmen im Januar 2009 eine Feldstudie im Südpolarmeer mit dem Ziel herauszufinden, ob durch die gezielte Düngung mit Eisensulfat eine bestimmte Algenart dazu animiert werden könnte, Kohlendioxid aus der Atmosphäre in großen Mengen dauerhaft zu binden und auf dem Grund des Ozeans einzulagern. Am 7. Januar 2009 stach das Forschungsschiff „Polarstern“ von Kapstadt aus in See, an Bord die umstrittene Fracht von 20 Tonnen Eisensulfat, die im Rahmen der Ozeandüngung über eine Fläche bis zu 300 Quadratkilometern feinpulvrig ausgestreut werden sollten.

Kieselalgen im Dienste der Menschheit?
Im Fokus der Wissenschaftler stand die unscheinbare Kieselalge und ihre Reaktion auf die ungewohnte Fütterung, denn im angepeilten Seegebiet nordöstlich von Südgeorgien herrscht normalerweise ein Mangel an Eisensulfat.

Umweltschützer warnten indes bereits im Vorfeld der Planungen, dass genau dies eine ernsthafte Gefahr für die Umwelt bedeuten könnte: Durch die übermäßige künstliche Zuführung von Düngemitteln kann ein vormals intaktes Ökosystem empfindlich gestört oder gar zerstört werden.

Wehret den Anfängen
Darüber hinaus befürchteten Kritiker, dass bei Erfolg der Versuchsreihe Unternehmen die kommerzielle Düngung des Weltmeeres nutzen würden, um die CO2-Bilanz aufzubessern: Nicht die unter kontrollierten Bedingungen durchgeführten Forschungsreihen würden somit die größte Gefahr ausmachen, sondern die unkontrollierte Ausschüttung von Mineralien in den Weltmeeren im Rahmen des CO2-Zertifikate-Handels.

Interessanterweise wären die Weichen dafür sogar schon gestellt: Auf der Vertragsstaatenkonferenz des Abkommens zur biologischen Vielfalt wurde bereits 2008 in Bonn unter dem Vorsitz unseres Bundesumweltministers Gabriel eine Vereinbarung für die kommerzielle Ozeandüngung getroffen.

Meeresdüngung im Dienste der Industrie?
Selbst Laien werden sich vorstellen können, wie sehr unsere bereits durch Überfischung und Verklappung von Giftmüll stark angeschlagenen Weltmeere unter einer völlig unkontrollierten künstlichen Überdüngung durch gewinnorientierte Akteure zusätzlich leiden würden.

Der geneigte Leser erinnert sich vielleicht an die zahlreichen ähnlich gearteten Skandale von der ExxonValdez über Shells Brent Spar Bohrinsel bis zur Verklappung von Atommüll im Mittelmeer durch die Mafia.

Die Ergebnisse der Forscher ließen die Bedenkenträger jedoch aufatmen. Denn was die Forscher wohl nicht erwartet hatten: Es profitierten weniger die Kieselalgen, sondern eine ganze Menge anderer Algenarten, die jedoch umgehend von Flusskrebsen genüsslich vertilgt wurden. Skeptiker meinten unterdessen, dass die Kieselalgen vermutlich so oder so in den Nahrungskreislauf eingegangen wären und daher eine tatsächliche Einlagerung am Meeresboden eher gering ausgefallen wäre. Darüber hinaus brauchen Kieselalgen Kieselsäure im Wasser – in einer Konzentration, die erfordern würde, dass man zuerst Unmengen an Kieselerde ins Meer schüttet, bevor man zusätzlich 20 Tonnen Eisensulfat hinterherstreut.

Alter Wein in neuen Schläuchen?
Die Idee ist übrigens nicht neu: Bereits 1996 berichtete die Zeitschrift Bild der Wissenschaft von Versuchen mit Eisensulfat im Nordmeer. Damals wurde gar eine einbrechende Eiszeit bei übermäßigem Gebrauch befürchtet – ein äußerst aufschlussreicher Artikel dazu befindet sich im Online-Archiv der Zeitschrift (siehe unten). Interessanterweise wurden damals bereits die selben Beobachtungen gemacht: Der Effekt ist lediglich kurzlebig und durch viele unsichere Faktoren im Eisen-Kohlenstoff-Zyklus der Algen in der Praxis nicht für eine sinnvolle Endlagerung von CO2 tauglich.

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