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Die Alternative zu den alternativen Energieträgern – Wann kommt die Kernfusion?

In der Wissenschaft hält man sie schon seit geraumer Zeit für den heiligen Gral der Energieversorgung, die Kernfusion. Einige Experten sind sogar der Annahme, dass durch die Kernfusion als Option zur Energieversorgung andere Formen der Energieerzeugung obsolet werden. Durch die Fusion könnte ausreichend viel kontrollierbare Energie erzeugt werden, unabhängig von exogenen Einflüssen wie der Sonneneinstrahlung oder der Windhöffigkeit.

Probleme mit der Versorgungssicherung wären passé. Vorstellbar ist diese Vision tatsächlich, denn immerhin erzeugt die Sonne, das große Kraftwerk unseres Sternensystems, in dieser Form ihre Energie. Alles was auf der Erde zur Energieerzeugung verwendet wird, ist ursprünglich durch die Sonne erzeugt wurden und zwar durch Kernfusion. Warum sollte man also nicht die Sonne kopieren und auf der Erde durch Fusion Energie erzeugen?

Die ewige Energiequelle

Die Vorstellung, dass künftig mittels Kernfusion die Energiebereitstellung der Erde gesichert wäre, ist beinahe zu schön um zu glauben, dass dies wirklich Realität werden könnte. Dabei ist das dahinterstehende Prinzip denkbar einfach. Eine beispielhafte Fusionsreaktion ist die von Deuterium und Tritium.

Die Atomkerne beider Elemente prallen mit hoher Geschwindigkeit und unter extremen Druck aufeinander und sorgen so für einen thermonuklearen Prozess, welcher als Ergebnis einen Heliumkern und ein Neutron liefert. Daneben entsteht eine sehr hohe Menge an Energie. Die Eingangselemente für die Reaktion sind auf der Erde in hohem Mengen vorhanden.

Das Endprodukt, nämlich Helium, ist weitgehend ungefährlich für das Klima auf der Erde und auch kaum radioaktiv. Somit ist die Fusion eine saubere und nachhaltige Art der Energieversorgung, die, überspitzt gesagt, beinahe unerschöpflich Energie erzeugt. Anders als die Kernspaltung führen Fusionsreaktionen auch nicht zu gefährlichen Kettenreaktionen.

Problematisch ist der geeignete Reaktor

Die Fusionsreaktion findet unter extremen Bedingungen statt und benötigt daher sehr robuste und leistungsfähige Reaktoren. Aktuell kursiert die Nachricht, dass der US-amerikanische Luft- und Raumfahrtkonzern Lockheed kurz vor einem Durchbruch bei der Konstruktion eines derartigen Reaktors stehe.

Ob dies wirklich der Fall ist, ist bei Experten durchaus umstritten. Immerhin wird bei einer Fusionsreaktion ein Plasma erzeugt, welches über einhundert Millionen Grad Celsius heiß ist. Ein derartig heißes Plasma und die erzeugte Energie kontrollieren zu können, ist eine Mammutaufgabe. Lockheed gab bekannt, dass ein neuartiges Reaktordesign diese Aufgabe leisten könne. Die kompakte Fusionsanlage soll 100 Megawatt Leistung haben und bereits in rund zehn Jahren die Marktreife erreichen.

Ist der Durchbruch wirklich so nah?

Falls Lockheed Recht behält, so käme das einer energiewirtschaftlichen Revolution, ähnlich der aktuellen Energiewende, gleich. Die Fusion würde mit hoher Wahrscheinlichkeit die konventionellen Energieträger völlig ablösen und auch einen Großteil der erneuerbaren Energien verdrängen.

Bisher gingen Wissenschaftler davon aus, dass es bis zu 50 Jahre dauern wird, bis die Fusion marktreif ist. Dies ist auch einer der Gründe, dass sich vorerst auf die erneuerbaren Energieträger und nicht auf die Kernfusion konzentriert wurde. Eines der größten Probleme wirtschaftlicher Art war bisher, dass es noch nicht gelang einen Reaktor zu entwickeln, der mehr Energie erzeugt als für die Erwärmung des Plasmas notwendig ist.

Für Unternehmen ein No-Go Kriterium, da der Betrieb eines Fusionskraftwerks völlig unrentabel wäre. Dementsprechend skeptisch wird auch mit Lockheeds Ankündigung umgegangen.

Glaube an die Fusion ist allerdings weiterhin groß

Unabhängig davon, ob Lockheed wirklich binnen zehn Jahren einen marktreifen Fusionsreaktor entwickeln wird, ist die Hoffnung in die Fusion für die künftige Energiewirtschaft bei den Fachleuten ungebremst. Die Fusion würde eine Vielzahl an energie- und ressourcenwirtschaftlichen Problemen lösen.

Nicht nur das die Rohstoffe für die Fusion in ausreichender Menge zur Verfügung stehen, sie sind auch sehr billig. Einige Studien zum zukünftigen Energiemarkt gehen beispielsweise davon aus, dass die Fusion im Jahr 2100 etwa 30 Prozent des europäischen Strombedarfs decken könnte, mit steigender Tendenz.

Auch große Energieversorger blicken auf die Fusion

Auch wenn die Fusion aktuell vorrangig in der Wissenschaft thematisiert wird, haben auch schon die großen Energieversorger ein Auge auf die Technologie geworfen. Unter den angespannten Marktbedingungen für die fossile Energieerzeugung in Deutschland, sind Eon und RWE bereits dabei sich nach alternativen umzuschauen. Auch die Fusion wird betrachtet, spielt aber noch keine konkrete Rolle, so die Konzerne.

Die potentielle Grundlastfähigkeit der Fusion ist besonders interessant für die Energiewirtschaft. „Wer weder die Kernspaltung noch die CO2-fördernde Kohleverbrennung will, für den bleibt nur Fusion als Alternative.“, so beispielsweise Hartmut Zohm vom Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Garching bei München. Er spielt damit auf die Abdeckung der Fluktuationen von Wind- und Solarenergie an.

Die Kernfusion könnte durch grundlastfähige Kraftwerke für diese Abdeckung sorgen und wäre damit wahrscheinlich die einzige saubere Alternative zu Kernkraftwerken und fossilen Kraftwerken. Wie und wann sich die Kernfusion etablieren wird ist sowohl von technologischen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und geopolitischen Faktoren abhängig. Entsprechend sind auch die Vorhersagen und Prognosen zur Entwicklung der Technologie vage. In einem Punkt sind sich die Fachleute allerdings weitgehend einig: Die Kernfusion wird früher oder später eine tragende Rolle im Energiesystem einnehmen.

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