Ist von der Energiewende die Rede, so werden oft die großen infrastrukturellen, politischen und administrativen Probleme fokussiert. Das ist soweit auch berechtigt, geht es um die gesamtdeutsche Energiewende. Doch durch die verstärkte Dezentralität der erneuerbaren Energien gibt es auch die kleine, lokale Variante der Energiewende. Gerade bei der Umstellung vor Ort kann der Einzelne einen aktiven Part einnehmen, während die großen Fragen der Energiewirtschaft eher auf anderen Ebenen beschlossen und diskutiert werden. Doch was ist wirklich möglich in Deutschlands Gemeinden? Ist die lokale und regionale Energieautarkie auf Basis erneuerbarer Energien eine zukunftsweisende Option?
Ambitionierte Projekte und Visionen
Die Potentiale der lokalen Energiewende sind bei vielen Kommunen mittlerweile bekannt. Viele Gemeinden haben sich daher auch Strategien, Ziele und Programme auferlegt, die Ziele für die Zukunft festlegen. Ein Beispiel ist Flensburg. Erst vor kurzem fand in der norddeutschen Stadt eine hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion zum Thema Energiewende statt. Die Botschaft des Flensburger Vereins „Erneuerbare Energien & Speicher“ war dabei eindeutig: „Diese Region wird sich in 15 Jahren zu 100 Prozent mit erneuerbarer Energie aus der Region versorgen – und zwar im Bereich Elektrizität, Wärmeversorgung und Mobilität“, sagte beispielsweise Axel Wiese, der Vorsitzende des Vereins. Ambitioniert sind auch viele andere Regionen.
Das Projekt „100ee-Regionen“ des Instituts dezentrale Energietechnologien gGmbH und deENet Kompetenznetzwerks dezentrale Energietechnologien e. V. beschäftigt sich mit eben diesen ambitionierten Regionen. Ruft man auf der Website die aktuelle Karte mit sogenannten 100-ee Regionen auf, so zeigt sich, dass bereits über ein Drittel der deutschen Kommunen und Gemeinden in diesem Bereich aktiv ist.
Wo passiert wirklich etwas?
Doch, was muss man als Region leisten um eine 100ee Region zu werden? Grundsätzlich reicht es aus, dass die entsprechende Kommune einen politischen Beschluss gefasst hat, seine lokale Energieversorgung mittel- bis langfristig auf erneuerbare Energien umzustellen. Entsprechend dem was bereits passiert ist, wird man nicht 100ee-Starterregion oder 100ee Region. Städte werden mit dem Label 100ee-urban ausgezeichnet. Dementsprechend dient das 100ee Projekt auch als Vernetzungsplattform und Multiplikator für die beteiligten Regionen. Eine statistische Erfassung der Gegenden, die wirklich bereits eine massive Umstellung in ihrer lokalen Energieinfrastruktur erreicht haben, gibt es bisher noch nicht.
Was ist also machbar? Sogenannte kommunale Energiestrategien oder kommunale Klimaschutzprogramme gibt es vielfach. Doch letztlich bleibt die Frage, was geht wirklich und was ist nur Wunschtraum. Die Ambitionen Flensburgs zum Beispiel sind ehrenwert, aber sicherlich nicht einfach zu erreichen. Ausgeschlossen ist eine vollkommen auf erneuerbaren Energien basierende lokale Energieversorgung allerdings nicht.
Vorzeigeprojekte existieren
Die Gemeinde Feldheim macht es vor. Der Ortsteil des brandenburgischen Städtchens Treuenbrietzen hat es geschafft mit 100 Prozent erneuerbarer Energieversorgung energieautark zu werden und dies zu. Feldheim hat 148 Einwohner und eine vornehmlich durch Landwirtschaft und Siedlungen geprägte Struktur. Durch einen Windpark mit 74 Megawatt Gesamtleistung und einer 500 Kilowatt Biogasanlage wird der Ortsteil mit Strom und Wärme versorgt. Die Biogasanlage sorgt dabei vorrangig für die Wärme und die Abdeckung von Fluktuationen in der Windenergieproduktion. Der Windpark sorgt für die Stromversorgung. Die Gesellschaft die hinter der autarken Versorgung steckt wurde extra für diesen Zweck gegründet.
So machen es auch viele andere Kommunen. Mittels Energiegenossenschaften geht die Initiative dazu nicht selten von den Bürgern selbst aus. In Feldheim setzt sich die Gesellschaft aus einem Konglomerat aus Haushalten, Gewerbe, der Stadt Treuenbrietzen und dem lokalen Energieversorger Energiequelle GmbH zusammen. In Form einer Kommanditgesellschaft verfügt die Gesellschaft dadurch über 49 Kommanditisten und einen Komplementär. Versorgt werden 37 Haushalte, zwei kommunale Verbraucher und drei Gewerbetreibende. Der Clou, sogar das lokale Stromnetz gehört der Gesellschaft und damit den Bürgern vor Ort.
Umsetzung im Großen wesentlich schwieriger
Im Kleinen funktioniert die Vision von der lokalen Energiewende. Doch was ist mit der Versorgung ganzer Städte? Grundsätzlich gilt, was im Kleinen funktioniert kann auch im Großen funktionieren. Die infrastrukturellen, technologischen und planerischen Herausforderungen sind hierbei allerdings ungleich größer. Denn es ist durchaus ein Unterschied ob rund 150 Menschen oder mehrere Hunderttausend Menschen mit Energie versorgt werden müssen.
Die großen Stromversorger, die bisher mit ihren Großkraftwerken für die Energieversorgung Deutschlands sorgten sehen die Entwicklung in Richtung lokaler Eigenversorgung sehr kritisch. Denn unabhängig davon, ob die Kommunen sich selbst versorgen muss ein bundesweites Stromnetz gewährleistet werden, welches auch über große Entfernungen Strommengen transportieren kann. Nur so lässt sich ausreichend Versorgungssicherheit gewährleisten. Fraglich ist wie das Netz finanziert werden soll, insbesondere dann, wenn die Bürger sogar eigene Lokalnetze besitzen.
Lokale Energie ist Bürgerenergie
Was den Großkonzernen Kopfzerbrechen bereitet ist für den Bürger mehrfach profitabel. Regionen, die sich eigenständig mit erneuerbaren Energien versorgen machen sich unabhängig von den Öl- und Gaspreisen, was langfristig erheblich an Kosten spart. Zudem können überschüssige Energiemengen gewinnbringend verkauft werden oder man verpachtet Land für Photovoltaik-Freiflächenanlagen oder Windanlagen. Jeweils profitiert der Bürger vor Ort und mit ihm die örtliche Wirtschaft. Für die kommunale Wertschöpfung, gerade in strukturschwachen Regionen, ein wesentliches Argument für die lokale Eigenversorgung.