Kennen Sie den? Ein grüner gutmütiger Riese wandert durch die Landschaft, verteilt Windkraftanlagen, setzt mit Rücksicht auf die Fischlein vooorsichtig Wasserkraftwerke ins Meer und sorgt auch insgesamt mit einem freundlichen Lächeln dafür, dass der Strom läuft und die Natur nicht stört. Das Ganze ist in kindlich-unschuldigem Zeichenstil präsentiert und in warme Farben getaucht, unterlegt mit dem unvermeidlichen Thema des bekannten Kanons „I like the flowers“.
Gemeint ist der Werbespot der RWE, welche im Zuge der neuerlich aufgeflammten öffentlichen Diskussion um Atomstrom, dem kürzlich zerschlagenen mafiösen Stromkartell mit den anderen drei Branchenriesen Vattenfall, EnBW und Eon sowie dem Trend des neuen Zeitgeists in der Bevölkerung hin zu einer naturbewussteren Lebensweise im Herbst 2008 als Greenwashing Strategie des Stromerzeugers RWE einleitete.
Grüner Strom oder großer Schwindel?
Dass RWE 2008 jedoch lediglich etwa 2 Prozent seiner Produktion aus erneuerbaren Energien bezog, bis heute einer der größten AKW-Betreiber der Republik ist und dabei wenig Ambitionen beim Ausbau umweltfreundlicher, ungefährlicher Stromproduktion aufweist, umso größere Ambitionen jedoch, geht es um politische Einflussnahme zum Vorteil der Laufzeitverlängerung, rief auch prompt Greenpeace Deutschland auf den Plan: Mit einem Anti-Spot reagierten die Umweltschützer auf diesen haltlosen Werbebetrug (am Ende des Artikels zu finden).
Fakt ist, dass RWE ebenso wie die anderen drei Großkonzerne der Branche bei der Einführung der CO2-Zertifikate 2006 nur unter einer Bedingung mitzogen: Dass die Unternehmen die Handelsrechte für die Emissionen aus Kohlekraftwerken geschenkt bekämen. Die entweder machtlosen oder gekauften Politiker in den entsprechenden Gremien gingen nicht nur darauf ein – sie erlaubten auch noch den Neubau von fast 30 neuen Braunkohlekraftwerken, für die man in den Unternehmen jeweils quasi bares Geld in Form von handelbaren Zertifikaten erhielt.
Greenwashing – Greenpeace verleiht Award für Ökosünder
Umweltschutzorganisationen beobachten den Trend des Greenwashings bereits seit einigen Jahren mit berechtigtem Argwohn. So zeichnete Greenpeace 2008 den Ölkonzern BP mit einem Preis für Greenwashing aus, dem „Emerald Paintbrush“ Award 2008.
Ebenso geriet die Klimakonferenz in Kopenhagen 2009 unter Beschuss als besondere Form des politischen Greenwashings – die ehemalige Bundesumweltministerin und heutige Klimakanzlerin Merkel schafft dabei ein Meisterstück in zweigleisiger Politik: ob Asse oder Ökobilanz, die freundliche Frau aus der Uckermark hat schon seit Kohls Ära ein geschicktes Händchen darin bewiesen, Wirtschaftsinteressen durchzusetzen und dies als einen großartigen Gewinn für die Bürger zu vermarkten.
Greenwashing und die Macht des Marketings
Dem Verbraucher bleibt in Deutschland offenbar nichts an geschmacklosen Tricks und kriminellen Verkaufsstrategien seitens der Wirtschaft und deren politischen Fürsprechern erspart, ganz gleich ob es sich um Gammelfleisch, Melamin in Milcherzeugnissen, PCB und weitere giftige Weichmacher in Verbrauchsprodukten oder der Anbiederung an die neue grüne Mode auf sämtlichen Ebenen handelt:
Denn längst haben nicht nur Betreiber von Atomkraftwerken das Greenwashing für sich entdeckt, auch McDonalds in Deutschland überlegte der Financial Times Deutschland Ende 2009 laut, ob man aus „Respekt vor der Umwelt“ den roten Hintergrund des Logos in Zukunft grün gestalten wolle!
Greenwashing etabliert sich regional
Besondere Vorsicht gilt übrigens bei den sogenannten Resale-Anbietern: Dabei handelt es sich um bloße Händler, die über keinerlei eigene Stromproduktion verfügen und daher ihre Kapazitäten über die Frankfurter Strombörse EEX abdecken müssen – in der Regel nach Tagespreisen. Da der Preis pro Kilowattstunde Atomstrom durch eine ganze Reihe direkter, indirekter und verdeckter Subventionen künstlich gering gehalten wird, kaufen diese Händler einen Strommix, der effektiv über große Mengen eine gewisse Marge verspricht, die aber nicht besonders hoch ausfällt. Der entscheidende Verdienst wird jedoch mittels modisch zugeschnittenem Marketing erzielt:
Ein besonders dreistes Beispiel bietet der regionale Reseller EVS auf Sylt: Dieser wirbt mit dem Versprechen, ein Stück naturnahen Urlaub mit nach Haus zu nehmen und gleichzeitig in den Küstenschutz zu investieren, und verkauft auf diese Weise billigen Atomstrom als teure grüne Küstenenergie an begeisterte Sylt-Urlauber aus ganz Deutschland. Der Strommix der gerne-grünen Sylter beinhaltet jedoch über 54 Prozent Energie aus Kernkraft – gegenüber einem Bundesdurchschnitt von „nur“ 30 Prozent.
Der Arbeitspreis des Inselstroms liegt dabei übrigens mit etwa 17 Cent pro Kilowattstunde schätzungsweise zehn Cent über dem Einkaufspreis.
Ein grünes Vorbild
Ein positives Gegenbeispiel bietet dagegen etwa das Unternehmen Naturstrom, das neben einem Strommix aus garantiert ausschließlich Wind- und Wasserkraft auch sukzessive den Ausbau von erneuerbarer Energieproduktion fördert und von privaten Kleinst- bis zu industriellen Großanlagen die Stromproduktion aus Solar-, Wind- und Wasserkraft finanziell unterstützt.
Naturstrom ist bisher der einzige Anbieter auf dem deutschen Markt, der ausschließlich grünen Strom aus teilweise eigener Produktion verkauft. Die Verbrauchskosten sind durchaus marktfähig und angesichts der Erkenntnisse über die veralteten oder Brückentechnologien Kohle- und Atomkraftwerk drängt sich die Frage auf, ob die Stromriesen in Deutschland nicht vielmehr versuchen, mit einem frischen Anstrich ihre Altersschwäche zu übertünchen?