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Klimawandel als Gerechtigkeitsproblem

Der von Menschen verursachte Klimawandel wirft die Frage nach ökologischer Gerechtigkeit auf. Ökologische Gerechtigkeit, setzt einen ehrfürchtigen verantwortungsvollen Umgang mit der Natur und gleiche Nutzungsrechte an den globalen Gemeinschaftsgütern für alle Bewohner dieser Erde voraus.

Bisher ist die Weltgemeinschaft von diesem Ideal weit entfernt. Gut 25% der Weltbevölkerung beanspruchen etwa 75% der Weltressourcen. Ungleichheit kann in Ungerechtigkeit umschlagen, wenn sozial benachteiligten Bevölkerungsgruppen zugunsten eigener Vorteile, Schaden zugefügt wird. Die Basisregel einer fairen Ressourcenverteilung müsste lauten: „Alle Regelungen sind so zu treffen, dass sie nicht die Lage der am wenigsten Begünstigten verschlechtern.“ Stattdessen wird die Lage der Schwächeren am internationalen Verhandlungstisch um der eigenen Interessen willen nicht selten schamlos ausgenützt. Die Ausgewogenheit von Geben und Nehmen ist seit alters her ausschlaggebend für einen fairen Austausch.

Eine Austauschbeziehung kann demnach nur gerecht sein, wenn keiner der Beteiligten auf Dauer schlechter dasteht und ein Ausgleich zwischen Stark und Schwach erreicht wird. Die Last ökologischer Schulden des Nordens gegenüber dem Süden wiegt schwer und dessen historische Mitverantwortung an der schlechten Ausgangslage des schwächeren Südens ist nicht zu übersehen. Dem schwachen Rücken der Entwicklungsländer werden die dramatischen Folgen des Klimawandels aufgebürdet.

Im Widerstand gegen diese offensichtlich ungerechten Verhältnisse

wird der Ruf nach einem universell gültigen, einklagbaren Menschenrecht auf eine gesunde Umwelt unüberhörbar. Ohne die notwendigen Lebensgrundlagen, welche infolge des Klimawandels zusehends zerstört werden, ist kein Mensch in der Lage, ein unbehindertes Leben zu führen. In Anbetracht der Forderung nach Anerkennung von Existenzrechten, sollten sich vor allem die Großverbraucher fossiler Energieträger ihrer Verantwortung bewusst werden und die exzessive Verbrennung fossiler Brennstoffe drastisch einschränken, um nicht weiter auf Kosten des Südens zu leben.

Der Regelungscharakter umweltvölkerrechtlicher Übereinkünfte ist meistens zu undurchschaubar und komplex gestaltet, um effektive Maßnahmen auf den Weg zu bringen. Oftmals spiegeln internationale Abkommen im Umweltbereich lediglich die herrschenden Interessenskonstellationen zwischen den einzelnen Staaten wider.

Die Schaffung eines internationalen Umweltgerichtshofs und einer internationalen Umweltorganisation sind angesichts der bestehenden Interessensdivergenzen zwei äußerst gewagte, aber keinesfalls utopische Projekte. Ökologische Gerechtigkeit braucht ein festes Fundament, damit es sich als Leitziel in den internationalen Beziehungen erfolgreich etablieren kann. Oftmals liegen die Ursachen für die naturzerstörerischen Trends in kurzfristig gedachten Entscheidungsmustern und in der Missachtung von Kausalzusammenhängen. Es ist keine leichte Aufgabe, dem Prinzip Gerechtigkeit in den internationalen Umweltbeziehungen mehr Gehör zu verschaffen. Dazu braucht es die Tat- und Willenskraft vieler Stimmen. An dieser Stelle sollen vier Impulse für die ersten wichtigen Schritte in eine umweltgerechtere Zukunft aufgezeigt werden.

1. Europa als Wegbereiter

Zwar ist die umweltpolitische Strategie Europas bisher viel zu zaghaft, aber im internationalen Vergleich erscheint sie in einem anderen Licht. Anders als in den USA oder in Südostasien sind für Europa neben rein ökonomischen auch soziale, ökologische und kulturelle Aspekte der Entwicklung richtungsweisend. Immerhin wurden hier etwaige Umweltbelastungen in die Rechtssprechung mit aufgenommen. Auch während der internationalen Klimaverhandlungen kamen Zugeständnisse und ehrgeizige Emissionsminderungsziele vor allem von europäischer Seite. Europa müsste auf der internationalen Verhandlungsbühne als ein Vorbild auftreten und seine Strategien zu einer effektiven Umweltpolitik erweitern und vertiefen. Sein Vorbild könnte andere wiederum dazu bringen, in die Fußstapfen Europas zu treten und ähnliche Maßnahmen zu ergreifen.

2. Auf Menschen setzen

Die Verwirklichung ökologischer Gerechtigkeit ist auf starke gesellschaftliche Bündnisse und auf neue Kooperationsformen ̶ auf lokaler, regionaler oder internationaler Ebene ̶ angewiesen. Die Palette kleinerer globalisierungskritischer Verbände und großer Nichtregierungsorganisationen ist weit gefächert. Ihr gemeinsames Ziel ist Gerechtigkeit. Durch verstärkte Zusammenarbeit ließe sich der Reformdruck auf Regierungen erhöhen. Dazu bedarf es gerade auf internationaler Ebene einer größeren Akzeptanz für gesellschaftliche Bündnisse, damit deren Potenziale zu einer gerechteren Gestaltung der Globalisierung zum Tragen kommen können. Ein Anhörungsrecht für Nichtregierungsorganisationen wäre das nötige Mittel, um kritischen Stimmen Gehör zu verschaffen.

3. Fortgesetztes materielles Wachstum als Auslaufmodell

Seit die Erkenntnis über die Endlichkeit der Biosphäre sich durchzusetzen beginnt, gerät der Glaube an ewiges Wachstum ins Wanken. Was bisher das Fundament politischer Gewissheit ausmachte, nämlich dass durch wirtschaftliches Wachstum automatisch Gerechtigkeit, auf nationaler wie internationaler Ebene, geschaffen werde, hat an Gültigkeit verloren. Seit dem Zweiten Weltkrieg war die Bindung von Gerechtigkeit an wirtschaftliches Wachstum selbstverständliches Credo.

Mittlerweile weist der Trend aber in eine ganz andere Richtung: einseitiges wirtschaftliches Wachstum führt oftmals – entgegen gängiger westlicher Auffassung – zu ökologischer und sozialer Ausbeutung und wirtschaftlicher Aufstieg kann die Frage der Gerechtigkeit nicht auf Dauer lösen. „In einem begrenzten Umweltraum kann konventionelles Wachstum keine Gerechtigkeit mehr schaffen. [….] So lange das Verlangen nach Gerechtigkeit an herkömmliches Wachstum gekoppelt bleibt, droht es mit der Stabilität der Biosphäre zu kollidieren“², warnen die Wissenschaftler des Wuppertal Instituts. Für globale Gerechtigkeit im ökologischen Sinne eintreten, bedeutet, das überholte Wohlstandsmodell der Industrieländer auf ein neues Fundament zu setzen. Eine Abwendung von dieser wirtschaftlichen Aufholjagd der Entwicklungsländer könnte dem Leitmotiv‚ ökologische Gerechtigkeit’ den Weg frei machen.

4. Frauen eine Stimme geben

In vielerlei Hinsicht spielen Frauen beim Schutz der Biosphäre eine herausragende Rolle. Die natürlichen Ressourcen bestimmen gerade in den Ländern des Südens den Alltag der Frauen: Sie bereiten die Nahrung zu, sind für die Wasserversorgung der Familie zuständig und sorgen sich um die Kinder. Folglich sind sie besonders abhängig vom Zugang zu den natürlichen Ressourcen.

Da, wo ursprüngliche Wasserquellen im Zuge der Erwärmung verschwunden sind, müssen Frauen weitere und beschwerlichere Wege zurücklegen. Ihre Lebensweise steht so in einem engen Verhältnis zur Natur. Dennoch haben Frauen einen sehr schwachen Einfluss auf die politische Meinungsbildung und Entscheidungsfindung. Ökologische Gerechtigkeit geht auch einher mit einer stärkeren Gleichberechtigung von Frau und Mann. Bisher spielt jedoch die Beteiligung von Frauen in den internationalen Umweltbeziehungen eine sehr untergeordnete Rolle.

Die Lösungsmöglichkeiten liegen also auf dem Tisch. Es fehlt nur an dem Willen zur Selbstbeschränkung und dem Mut zum Neuanfang, damit sich das Prinzip der ökologischen Gerechtigkeit entfalten kann. Die Reichtümer der Natur sind endlich. Ohne mehr Gerechtigkeit auf der Welt steht das Überleben letztendlich aller Erdbewohner auf dem Spiel. Tatsächlich wirft dieser Kampf um die Ressourcen der Erde die seit Menschengedenken brisante Frage neu auf: Wem gehört die Welt?³ Idealerweise müsste jeder Erdbewohner den gleichen Zugang zu den Gemeingütern, wie Luft, Wasser und Boden, haben, sodass die Gemeingüter allen in gerechter Weise zugute kommen. Auch müssen wir uns unserer Verantwortung für den Erhalt der Gemeingüter bewusst werden.

Schließlich haben wir die Erde von unseren Kindern nur geborgt, wie ein indianisches Sprichwort lautet. Daher ist es unsere Aufgabe, das Ererbte möglichst unversehrt an die Nachwelt zu übergeben. Gemeinressourcen bedürfen einer Gemeinschaft, die sich ihrer Beziehung zu den Ressourcen im gesellschaftlichen Zusammenhang bewusst wird und einem gerechten Zugang möglichst aller Erdbewohner zu den natürlichen Schätzen der Erde zur Durchsetzung verhilft.

Um mit den Worten Mahatma Gandhis zu schließen:

„Die Welt hat genug für jedermanns Bedürfnisse, aber nicht genug für jedermanns Gier.“

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